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Von Soraya | Foto: Larissa
HCAP News
Das Märchen, das zum Albtraum wurde
Luca Cereda und Paolo Duca verlassen den HC Ambrì-Piotta als Trainer und Sportchef nach dem sie sich vom Präsidenten Filippo Lombardi hintergangen fühlen. Auch Lombardi legt sein Amt als Präsident nieder. Darum ist es im Tessin so weit gekommen.
Was mit einem Tessiner Märchen startete, endete im Albtraum. 3083 Tage. So lange war Luca Cereda und Paolo Duca im Amt, ehe sie ihren Job als Trainer und Sportchef aufgaben. Nicht zuletzt, weil sie sich hintergangen fühlten. «Du hast uns die Beine abgeschnitten», sagte Duca am Mittwochmorgen bei der Pressekonferenz deutlich zu seinem Vorgesetzten.
Am 29. April 2017 übernahmen die beiden Tessiner die Mannschaft. Damals drohte fast der Abstieg. Sportlich und finanziell war der HCAP in Schwierigkeiten. Paolo Duca wurde vom Captain auf dem Eis zum Sportchef befördert. Luca Cereda erhielt das Amt als Trainer, welches er vorher in Biasca innehatte. Die beiden verkörperten die Ambrì-Identität wie kein anderes Duo.
Sie machten die Leventina zur Talentschmiede. Ambrì war fortan nicht nur der Klub, der mit den Finanzen kämpfte, sondern auch mit dem wenigen Geld etwas Schlaues auf das Eis zauberte. Eigengewächse, Herzblut und Leidenschaft war ihnen stets wichtig. In der Saison 2018/19 schaffte man es erstmals wieder in die Playoffs. Die beiden zeigten, dass sie mit einem tiefen Budget das Beste aus der Mannschaft herausholen können.
Vom ersten La Montanara bis zum Spengler Cup
Cereda und Duca waren auch dabei als das erste «La Montanara» in der Gottardo Arena ertönte oder ein Jahr später, 2022, Ambrì den Spengler Cup gewann. Auch wenn sie nur von der Bank oder mit dem Headset von der Tribüne aus ins Spiel eingriffen, trugen sie einen wesentlichen Beitrag des Erfolgs bei. Nur ab dem Weihnachtsmärchen in Davos stagnierte Ambrì. Die Erfolge blieben aus, die Playoffs wurden knapp verpasst. Ende Saison überlegte sich das Duo sogar aufzuhören – heute betrachtet wäre dies der perfekte Zeitpunkt gewesen.
Doch sie nahmen sich im Sommer eine kurze Auszeit und griffen im Herbst wieder an. Was folgte war aber die nächste Durststrecke. Mal taumelten sie am Tabellenende umher, mal unterlagen sie wieder ein paar Spielen zu viel. Die Positionen der beiden wackelten immer wieder. Doch die Krisen bewältigten sie gemeinsam. Andere Klubs, die gefühlt jede Saison einen neuen Trainer haben, schauten mit einem neidischen Auge in die Leventina. Dort, wo der dienstälteste Trainer der ganzen Liga amtete.
Auch die Krise nach zehn Niederlagen in den bisherigen 12 Spielen scheinte, diese Krise gemeinsam bewältigen zu können. Nach der Niederlage am Sonntag gegen Davos gab es ein Gespräch zwischen Präsident Filippo Lombardi und dem Duo. Im Vordergrund stärkte Lombardi den beiden den Rücken. Doch in Wirklichkeit verriet er sie. Denn nur einen Tag später soll er den ehemaligen Fribourg-Trainer Christian Dubé in Zürich getroffen haben. Dabei wurden auch Spieler einbezogen.
Schuldgefühle und Tränen beim Präsidenten
Die Gerüchteküche brodelte im Tessin. Auch Luca Cereda und Paolo Duca bekamen Wind davon. Aber nicht, weil Lombardi sie einweihte. Am Mittwochmorgen lud der HCAP wenig verwunderlich zu einer Medienkonferenz. Dass Cereda und Duca davonziehen war bereits bei der Einladung zu vermuten. Doch, dass der Präsident voller Schuldgefühle und Tränen in den Augen auch gleich sein Amt niederlegt, überraschte.
Dass die Chemie zwischen Lombardi, Duca und Cereda nicht mehr stimmt, zeigt die Pressekonferenz bestens. Der Präsident und abtretende Sportchef liefern sich ein Wortgefecht, als würde nicht die ganze Schweizer Medienlandschaft gegenübersitzen. Lombardi sagte, dass die beiden nicht offiziell entlassen seien und fragte in Richtung Duca: «Oder habt ihr etwas unterschrieben?»
Der ehemalige Stürmer und Sportchef Duca nimmt selten ein Blatt vor den Mund. Er reagierte scharf: «Ihr habt uns vor der Mannschaft hintergangen. Wir wollten weiterkämpfen und ihr habt beschlossen, uns zu entlassen.» Die Hände von Lombardi zitterten nach dieser Antwort. Er klammert sich bei seinem nächsten Wort regelrecht am Mikrofon. Wenig später beendet er die Pressekonferenz, die mehr als eine tragische Folge eines neuen «Trash-TV»-Formats wirkte. Nur eben in Tessiner Version.
Dass die drei Ambrì verlassen, ist zwar ein Verlust für den Verein. Aber gleichzeitig eine Chance für Neues – denn Zeit dafür ist längst. Die beiden bisherigen Assistenztrainer Eric Landry und René Matte übernehmen das Team vorübergehend. Und hoffentlich endet der Albtraum in der Leventina schon bald. Denn es ist Zeit für ein neues Märchen.
